Christus hat den Preis bezahlt

Von Juliet Pragasam (Singapur)

 

Warum hast du mich in diese Familie gesetzt? Warum hast du aus mir keinen Jungen gemacht, dann würde das Leben anders aussehen? Wenigstens würde Mama mich lieben und Gefühle für mich haben. Diese Fragen habe ich oft Gott gestellt, wenn ich wütend oder einsam war. Gott sei dank hat er das nie gegen mich verwendet und Er hat nie aufgehört, seine Hand nach mir auszustrecken mit all Seiner Liebe und Geduld.

Ich wurde in eine große heidnische Familie hineingeboren, die im Aberglauben gefangen war. Mein erstgeborener Bruder wurde weggegeben, weil er im Jahr des Tigers zur Welt kam, was sich mit meinem Vater nicht vertrug. Kurz nach meiner Geburt hat mein Vater – der einzige Ernährer – seinen Job verloren und hatte große Schwierigkeiten, für die Familie zu sorgen. Mich sah man als den Unglück bringenden Stern an, weil mein Horoskop mit dem von Papa kollidierte und sie versuchten verzweifelt, mich zur Adoption freizugeben. Sie haben es vergeblich bei drei Familien versucht.

Als ich acht Monate alt war, kaufte mich eine christliche Frau für 2.000 $. Meine Adoptivmutter kam nach Singapur im Alter von 12 Jahren, um als eine „Aah Ma Cheh“ zu arbeiten, ein Dienstmädchen in schwarz-weißer Uniform für die Reichen und berühmten vom alten Singapur. Später wurde sie verführt, wurde die Geliebte ihres Chefs und verheimlichte ihr dunkles und schändliches Geheimnis vor ihrem Pastor, Familienmitgliedern und entfernten Verwandten. Sehr oft hat sie mir beigebracht, über meinen Vater zu lügen, wenn er auf einer Geschäftsreise war und irgendjemand mich nach ihm fragte.

Ich kannte meinen Adoptivvater nicht und habe ihn auch nie zu Gesicht bekommen – bis eines Tages – ich war ungefähr fünf oder sechs Jahre alt – Mama mich mitgenommen hat, um ihn persönlich zu treffen. Es war eine traumatische Erfahrung für mich und ich konnte diesen völlig Fremden nicht „Vater“ nennen. Er erklärte, dass diese Adoption nicht seine Idee war. Abgesehen davon würde er ihr nie erlauben, ihn auf diese Art zu manipulieren, um sie zu heiraten. Bald darauf begann er, sie zu meiden und beendete seine Beziehung zu ihr und ebenso unsere finanzielle Unterstützung.

Das Leben wurde sehr schwer und Mama hat mich oft beschuldigt, der Unglücksrabe zu sein und dass ich ihr Leben ruiniert hätte. Sie bekam Diabetes und war oft deprimiert und zurückgezogen wegen ihrer eigenen ungelösten Frustrationen. Ich war oft der Grund für Mamas gelegentliche Wutausbrüche und ebenso ein Opfer emotionalen und körperlichen Missbrauchs. Ich habe nie gewusst oder verstanden warum ich wegen Kleinigkeiten schwer bestraft wurde. Sie hat mich immer an folgendes erinnert: „Traue nie irgendwelchen Männern, sie werden dich nur benutzen und dann fallen lassen.“ „Der einzige Grund, warum ich für dich bezahlt habe, war meine eigene Altersvorsorge.“ Ich fühlte mich wie ein Objekt, das herumgeschubst wurde und ich wollte unbedingt Mamas Liebe und Wertschätzung bekommen. Sie hat mir oft gesagt, wenn sie einmal sterben würde, müsste ich den Rest meines Lebens mit einer Leiche leben. Ich empfand immer eine unerklärliche Angst und Furcht, wenn sie krank wurde und betete, sie würde nie auf mir sterben. Da ich jung und unwissend war, glaubte ich, dass mich niemand jemals retten würde, wenn mir einmal etwas zustoßen sollte.

Ich habe mich darüber geärgert, dass ich so schwach war und nicht den Mut hatte, von zuhause wegzulaufen, als der Schmerz in mir so stark wurde. Zu dieser Zeit konnte ich nicht verstehen, warum ich mich selbst nicht näher zu ihr bringen oder sie nicht liebevoll behandeln konnte, weil es keinerlei Bestätigung ihrerseits in meiner Kindheit und Jugend gab.

Schließlich mussten wir aus finanziellen Gründen aus unserem komfortablen Haus ausziehen und in gemieteten Zimmern leben. Ich habe mich nie wirklich sicher gefühlt und es gab auch kein Band zu meiner Mutter. Emotional war sie sehr distanziert und zurückgezogen. Außer Wut und Gefühlskälte drückte sie kaum jemals ein anderes Gefühl aus. Ich kann mich noch nicht einmal daran erinnern, jemals von ihr umarmt oder berührt worden zu sein. So bin ich praktisch seit frühester Kindheit völlig alleine aufgewachsen, da sie ihren eigenen Schmerz mit Mah-Jong Spielen betäubte – bis in die frühen Morgenstunden.

Von Anfang an stellte ich mir in meiner Fantasie vor, intim mit Männern zu sein und doch fühlte ich gleichzeitig tiefen Hass ihnen gegenüber. Meine Jugendjahre waren voller Unsicherheit und Unglücklichkeit, da Mama sich finanziell durchkämpfen musste.

Ich fühlte mich sehr einsam und betäubt und hatte Angst vor engen Beziehungen mit anderen. Trennung brachte oft eine Menge Angst und Traurigkeit mit sich.

In der Schule machte es mir Spaß, Leiterin einer uniformierten Gruppe zu sein, weil es ein sicheres Ventil für meine Vorstellung von mir selbst als „Junge“ war. Bald nannte mich jeder in der Schule „Wildfang“, weil ich mich oft so benahm und auch dachte, ich wäre einer. Ich genoss die Aufmerksamkeit und den Respekt, der mir in einer reinen Mädchenschule entgegengebracht wurde und fing an, mit anderen rumzuhängen, die Drogen nahmen, Heavy Metal hörten, den Gay Lifestyle pflegten und in Gay Discos oder Bowling-Bahnen gingen. Dort fand ich „Akzeptanz und Liebe“, was mir aber nur eine zeitlich begrenzte Linderung meines Schmerzes und meiner inneren Leere verschaffte.

Obwohl ich in der Sonntagsschule groß geworden bin, mein Leben Jesus gegeben habe, als ich 12 war und mit 15 getauft wurde, habe ich Gott nie als meinen himmlischen Vater erfahren oder wahrgenommen. Es war mir ernst damit, Gott zu kennen, aber schon bald fand ich heraus, dass die ganze Aktivität in der Sonntagsschule und das Beten mir nicht half, viele meiner Probleme zu lösen, wie das Zurückgewiesenwerden, die Unsicherheit und die Angst. Tatsächlich war ich oft frustriert darüber, unfähig zu sein, die Wirklichkeit Gottes wahrzunehmen. Ich konnte mit der traditionellen Art der Anbetung nichts anfangen. Ebenso wenig mit Kirchenführern oder Gleichaltrigen, weil ich mich in so vielen Dingen anders fühlte.

 

Viele meiner Freunde nahmen Drogen, hörten Heavy Metal Musik oder lebten offen homosexuell. Bald schon verlor ich das Interesse an der Kirche und ging nicht mehr hin, da sie von mir verlangten, mich wie eine Lady anzuziehen und nicht so ein „Wildfang“ zu sein, wenn ich bei der Jugendgruppe sein wollte. Ich konnte keine Akzeptanz oder Freundschaft finden. Bald gab ich es auf, zur Kirche zu gehen. Ich konnte mich der Norm nicht anpassen.

Bei meiner Gang fand ich die Freiheit, mich wie ein Junge anzuziehen, so zu denken und mich so zu benehmen; ohne den Druck, gut genug sein zu müssen. Ich hatte endlich das Gefühl, zu jemand zu gehören und von meinen  anderen männlichen Freunden „akzeptiert“ zu werden. Schließlich begann ich zu trinken und zu rauchen, um ein Teil von ihnen zu sein. Ich habe mich nie getraut, mit Drogen zu experimentieren, habe mich aber immer freiwillig gemeldet, wenn es darum ging, die Drogen zu verstecken, weil gerade Polizei-Razzien bevorstanden. Ich bin davon gekommen, ohne verhaftet worden zu sein, wobei ich sehr stolz auf mich selbst war, da ich so etwas Nobles getan hatte. Damals war mir nicht klar, dass Gottes Mitleid und Schutz hier im Spiel waren. Gelegentlich fing ich an, mich mit Jungs zu treffen, obwohl ich ihnen nicht vertrauen konnte. Zu meiner Bestürzung dauerten viele dieser Beziehungen nicht lange und ich wurde schnell wieder fallen gelassen.

Ich war fuchsteufelswild und beschloss, dass ich die sein würde, die eine Beziehung beendet sobald ich den Eindruck hatte, die andere Person ist an mir interessiert. Ich wollte damit Schmerz und Enttäuschung vermeiden. Ich fing gleich nach der Schule an, in einem Hotel zu arbeiten. Um den Mangel an Liebe in meiner Familie wettzumachen, arbeitete ich sehr hart. Ich glich meine Einsamkeit und meinen Schmerz dadurch aus, dass ich die meiste Zeit in Lounges und Discos verbrachte und dabei trank und rauchte. Aber jedes Mal, wenn ich nach Hause kam, war ich einsamer als vorher. Bald lässt auch der Spaß nach, den man hat, wenn man sich wie ein Mann anzieht. Ich habe mich nie geliebt gefühlt oder normal, so wie ich mir das erhofft hatte.

Später bekam ich einen Job in einer führenden japanischen Bank. Monate später gab es eine schreckliche Wendung – mein Boss versprach mir eine Beförderung in die Auslandsabteilung, aber er wurde bald von einem anderen japanischen Manager ersetzt. Es hat mich schwer getroffen, als der neue Boss und mein Aufseher die Beförderung jemand anderes gaben.

Mein Selbstbewusstsein war am Boden zerstört und ich hatte eine Menge Probleme mit meinen Vorgesetzten.

Eine neue japanische Kollegin – eine neugeborene Christin – fing an, Jesu’ Liebe mit mir zu teilen. Durch sie konnte ich den Frieden und die Freude in Gott finden. Sehr oft teilte sie ihre eigene Beziehung mit Gott auf sehr persönliche Weise mit mir. Durch ihre Liebe, Akzeptanz und Gebete beschloss ich, ihr in die Kirche zu folgen und habe mein Leben wieder Christus gewidmet. Von da an beschloss ich, mich für Gott zu entscheiden – trotz meiner Gefühle, die extremen Schwankungen unterlagen, da ich zu viel Angst hatte, von Seiner Liebe abzuweichen. Ich klammerte mich an Seine Versprechen in Jesaja 54:4:

„Fürchte dich nicht, du wirst nicht beschämt; schäme dich nicht, du wirst nicht enttäuscht. Denn die Schande in deiner Jugend wirst du vergessen, an die Schmach deiner Witwenschaft wirst du nicht mehr denken.“

Ich erfuhr, dass Christus einen Preis für mich bezahlt hat, weil Er mich liebte! Preist Gott für Seine Liebe und Treue.

Ein Jahr später nahm mein Verlobter den Herrn an und wir heirateten. Ich dankte dem Herrn und vielen anderen, die er zu mir führte, um mir zu helfen auf der Reise zur Heilung eines gebrochenen Herzens.